„Kennen Sie den Peter?“

Manche Fragen begegnen uns im Leben immer wieder, scheinbar harmlos, oft beiläufig, und doch voller unausgesprochener Annahmen und Vorurteile. Eine dieser Fragen lautet: „Kennen Sie den Peter? Er sitzt auch im Rollstuhl.“ Was für den Fragenden eine höfliche Geste der Verbundenheit oder ein einfacher Versuch sein mag, eine Gemeinsamkeit herzustellen, entpuppt sich für die angesprochene Person oft als tief verwurzeltes Missverständnis über Menschen mit Behinderungen. 

Selbstportrait vor einer Grafiti-Wand

Die unsichtbare Allianz der Rollstuhlfahrer*innen 

Die Idee, dass alle Rollstuhlfahrer*innen sich untereinander kennen, wirkt auf den ersten Blick kurios. Warum sollte es überhaupt so sein? Doch bei näherer Betrachtung offenbart sich, dass diese Vorstellung viel über die Art und Weise verrät, wie Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft wahrgenommen werden. 

Diese Annahme geht davon aus, dass alle Rollstuhlfahrerinnen, unabhängig von ihrer Persönlichkeit, ihren Interessen oder ihrem Lebensweg, eine homogene Gruppe bilden. In dieser Vorstellung gibt es nur eine „Gemeinschaft der Rollstuhlfahrerinnen“, die sich durch das gemeinsame Merkmal des Rollstuhlfahrens definiert. Es ist eine einfache, aber bequeme Sichtweise, die der Komplexität menschlicher Beziehungen und Identitäten nicht gerecht wird. 

Die Idee einer unsichtbaren Allianz der Rollstuhlfahrerinnen ist letztlich Ausdruck einer Reduktion. Sie reduziert Menschen auf das Merkmal, das für Außenstehende am offensichtlichsten ist: den Rollstuhl. Dass diese Menschen jedoch ein ebenso reichhaltiges und vielfältiges Leben führen wie alle anderen, wird dabei oft übersehen. Sie haben unterschiedliche Interessen, Berufe, Freundeskreise und Erfahrungen – sie sind in erster Linie Menschen, nicht „Rollstuhlfahrerinnen“. 

Warum das Vorurteil? 

Doch warum hält sich dieses Vorurteil so hartnäckig? Der Ursprung liegt wahrscheinlich in der menschlichen Tendenz, das Unbekannte auf einfache, verständliche Muster zu reduzieren. Der Rollstuhl, als sichtbares Zeichen einer Behinderung, wird zum Symbol, das stellvertretend für die gesamte Person steht. Dieses Phänomen ist nicht auf Behinderungen beschränkt – wir neigen dazu, Menschen in Kategorien einzuordnen, um uns die Welt verständlicher zu machen. 

In vielen Kulturen ist das Leben mit einer Behinderung immer noch mit Unsicherheiten und Unwissenheit behaftet. Viele Menschen haben keine engen Kontakte zu Personen mit Behinderungen und wissen daher wenig über deren Lebensrealitäten. Aus diesem Unwissen heraus entstehen Stereotype und vereinfachte Vorstellungen. Der Rollstuhl wird zum zentralen Merkmal, das alles andere zu überlagern scheint. Die Vielfalt und Individualität der Menschen, die im Rollstuhl sitzen, wird dabei auf ein gemeinsames, oberflächliches Bild reduziert. 

Es ist auch eine Frage der Perspektive. Menschen, die selbst nicht im Rollstuhl sitzen, können sich oft nur schwer vorstellen, wie ein Leben im Rollstuhl aussieht. Sie betrachten die Welt durch ihre eigene Brille und übersehen dabei, dass es viele verschiedene Lebensweisen und -möglichkeiten gibt. Für sie ist der Rollstuhl das herausragendste Merkmal, das eine Person definiert – ähnlich, wie es in anderen Kontexten mit Hautfarbe, Geschlecht oder anderen sichtbaren Merkmalen geschieht. 

Die Gefahr der Schubladen 

Diese Denkweise, Menschen auf ein einziges Merkmal zu reduzieren und sie damit in Schubladen zu stecken, ist problematisch. Sie verhindert, dass wir die Komplexität und Vielfalt des menschlichen Lebens erkennen und wertschätzen. Sie behindert echte Begegnungen auf Augenhöhe und fördert stattdessen Vorurteile und Missverständnisse. 

Stellen wir uns vor, man würde Brillenträgerinnen mit der gleichen Logik begegnen: „Ach, Sie tragen eine Brille? Kennen Sie den Hans? Er trägt auch eine Brille!“ Natürlich klingt das absurd, und doch wird genau diese Logik oft auf Menschen mit Behinderungen angewandt. Dabei sollten wir uns vor Augen führen, dass auch Rollstuhlfahrer*innen in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens aktiv sind – als Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Eltern, Sportleri*nnen, Unternehmer*innen – und dass ihre Behinderung nur ein Aspekt ihrer Identität ist. 

Diese Annahme geht davon aus, dass alle Rollstuhlfahrerinnen, unabhängig von ihrer Persönlichkeit, ihren Interessen oder ihrem Lebensweg, eine homogene Gruppe bilden. In dieser Vorstellung gibt es nur eine „Gemeinschaft der Rollstuhlfahrer*innen“, die sich durch das gemeinsame Merkmal des Rollstuhlfahrens definiert. Es ist eine einfache, aber bequeme Sichtweise, die der Komplexität menschlicher Beziehungen und Identitäten nicht gerecht wird. 

Die Idee einer unsichtbaren Allianz der Rollstuhlfahrer*innen ist letztlich Ausdruck einer Reduktion. Sie reduziert Menschen auf das Merkmal, das für Außenstehende am offensichtlichsten ist: den Rollstuhl. Dass diese Menschen jedoch ein ebenso reichhaltiges und vielfältiges Leben führen wie alle anderen, wird dabei oft übersehen. Sie haben unterschiedliche Interessen, Berufe, Freundeskreise und Erfahrungen – sie sind in erster Linie Menschen, nicht „Rollstuhlfahrer*innen“. 

Der Wert von Geschichten 

Eine Möglichkeit, dieser reduzierenden Denkweise entgegenzuwirken, besteht darin, sich bewusst auf die Geschichten und Lebenswege der Menschen einzulassen, anstatt sie auf ein Merkmal zu reduzieren. Geschichten sind mächtige Werkzeuge, die uns helfen, Verbindungen herzustellen und Empathie zu entwickeln. Indem wir die individuellen Erfahrungen und Erlebnisse anderer Menschen kennenlernen, können wir unsere Vorurteile hinterfragen und abbauen. 

Wenn wir aufhören, Menschen in Schubladen zu stecken, und stattdessen beginnen, ihre persönlichen Geschichten zu hören, lernen wir, sie als die komplexen, vielschichtigen Individuen zu sehen, die sie sind. Eine Geschichte gibt uns Einblicke in die Herausforderungen, Freuden und Erfolge eines Menschen – sie zeigt uns, dass jede*r von uns einzigartig ist, unabhängig davon, ob  im Rollstuhl oder nicht. 

Von der Frage zur Erkenntnis 

Wenn uns das nächste Mal jemand fragt: „Kennen Sie den Peter?“, könnte die Antwort nicht nur lauten: „Vielleicht?“. Aber erzählen Sie mir doch lieber von dem Menschen, die Sie kennen.“ Auf diese Weise öffnen wir den Dialog und lenken den Fokus von den Vorurteilen weg hin zu dem, was wirklich zählt: die Individualität und die Geschichten der Menschen, die uns umgeben. 

Diese Perspektive erlaubt es uns, Vorurteile zu hinterfragen und gleichzeitig unser eigenes Verständnis von Inklusion und Vielfalt zu erweitern. Anstatt Menschen auf eine Eigenschaft zu reduzieren, sollten wir lernen, sie in ihrer Gesamtheit zu sehen und wertzuschätzen. Denn nur so können wir eine Gesellschaft aufbauen, die wirklich inklusiv ist – eine Gesellschaft, in der jede*r unabhängig von physischen Fähigkeiten als vollwertiges Mitglied respektiert und anerkannt wird. 

Dieser Artikel ist ein Plädoyer dafür, die Art und Weise, wie wir über Menschen mit Behinderungen sprechen und denken, kritisch zu hinterfragen. Indem wir uns von Vorurteilen lösen und die Geschichten der Menschen in den Vordergrund stellen, können wir dazu beitragen, eine offenere, empathischere Gesellschaft zu schaffen. 

Stellen wir uns vor, man würde Brillenträgerinnen mit der gleichen Logik begegnen: „Ach, Sie tragen eine Brille? Kennen Sie den Hans? Er trägt auch eine Brille!“ Natürlich klingt das absurd, und doch wird genau diese Logik oft auf Menschen mit Behinderungen angewandt. Dabei sollten wir uns vor Augen führen, dass auch Rollstuhlfahrer*innen in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens aktiv sind – als Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Eltern, Sportleri*nnen, Unternehmer*innen – und dass ihre Behinderung nur ein Aspekt ihrer Identität ist. 

Diese Annahme geht davon aus, dass alle Rollstuhlfahrerinnen, unabhängig von ihrer Persönlichkeit, ihren Interessen oder ihrem Lebensweg, eine homogene Gruppe bilden. In dieser Vorstellung gibt es nur eine „Gemeinschaft der Rollstuhlfahrer*innen“, die sich durch das gemeinsame Merkmal des Rollstuhlfahrens definiert. Es ist eine einfache, aber bequeme Sichtweise, die der Komplexität menschlicher Beziehungen und Identitäten nicht gerecht wird. 

Die Idee einer unsichtbaren Allianz der Rollstuhlfahrer*innen ist letztlich Ausdruck einer Reduktion. Sie reduziert Menschen auf das Merkmal, das für Außenstehende am offensichtlichsten ist: den Rollstuhl. Dass diese Menschen jedoch ein ebenso reichhaltiges und vielfältiges Leben führen wie alle anderen, wird dabei oft übersehen. Sie haben unterschiedliche Interessen, Berufe, Freundeskreise und Erfahrungen – sie sind in erster Linie Menschen, nicht „Rollstuhlfahrer*innen“. 

Solltest Du Fragen oder Anmerkungen haben, wende Dich jederzeit an mich und schreibe an
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