Inklusion: Hinsehen, Wahrnehmen und Verstehen
Vor Kurzem hörte ich den Song „Alla Mia Età“ von Tiziano Ferro nach einer langen Zeit wieder. Und er hat mich gleich wieder erreicht.
Es ist ein Lied, das von inneren Kämpfen, Unsicherheiten und der Suche nach Authentizität erzählt. Dieses Mal regte es mich dazu an, über Inklusion nachzudenken – darüber, was es bedeutet, wirklich gesehen zu werden, und wie oft Menschen hinter äußeren Fassaden unsichtbar bleiben.
Inklusion ist für mich mehr als ein gesellschaftliches Ziel. Sie ist eine Haltung, die fordert, über das Offensichtliche hinauszusehen. Es geht darum, Menschen in ihrer Vielfalt wahrzunehmen und Barrieren abzubauen – nicht nur physische Hindernisse, sondern auch die sozialen und gedanklichen, die echte Teilhabe verhindern. Dieser Gedanke zieht sich durch meine Arbeit und mein Leben. Der Song von Tiziano Ferro wurde dabei zum Anstoß, diese Themen in einem neuen Licht zu betrachten.
Die Fassade und das, was dahinterliegt
„Ich bin ein großer Lügner, während ich Heiterkeit heuchle.“
(„Sono un grande bugiardo, mentre fingo serenità.“)
Diese Zeile erinnert mich an viele Erfahrungen in meinem Leben. Als junger Mensch wollte ich vor allem dazugehören und zeigen, dass ich genauso leistungsfähig bin wie andere. Ich fühlte mich oft gezwungen, Stärke zu zeigen, auch wenn ich innerlich mit Unsicherheiten kämpfte.
Für viele Menschen mit Behinderung ist die äußere Fassade ein Schutzmechanismus. Sie wird zur Abwehr gegenüber Vorurteilen, die häufig an äußeren Merkmalen hängenbleiben. Der Rollstuhl wird oft zum Symbol, das alles andere überstrahlt – die Persönlichkeit, die Erfahrungen und die Fähigkeiten, die uns als Menschen ausmachen.
Inklusion bedeutet, hinter diese Fassade zu blicken. Sie fordert uns auf, den Menschen als Ganzes zu sehen, mit allem, was ihn ausmacht. Niemand sollte sich gezwungen fühlen, sich zu verstellen, um akzeptiert zu werden.
Von Sympathie zu Respekt
„Du bist sehr misstrauisch, während du Sympathie vorgibst.“
(„Sei molto sospettoso, mentre fingi simpatia.“)
Viele Menschen mit Behinderung kennen Situationen, in denen sie auf gut gemeinte, aber oberflächliche Sympathie stoßen. Sätze wie „Das finde ich bewundernswert“ oder „Wie schaffen Sie das nur?“ mögen nett gemeint sein, lenken aber die Aufmerksamkeit immer wieder auf die Behinderung. Sie übersehen die Person und verstärken den Eindruck von „Anderssein“.
Echte Inklusion geht über diese oberflächlichen Gesten hinaus. Sie erfordert Respekt, der aus echtem Interesse erwächst. Respekt zeigt sich im Zuhören, im Fragen und im Hinterfragen eigener Annahmen. Es bedeutet, Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und sie nicht durch die Brille von Vorurteilen oder Stereotypen zu betrachten.
Unsichtbar und doch da
„Und niemand hat es bemerkt.“
(„E nessuno se n’è accorto.“)
Dieses Gefühl kennen viele Menschen mit Behinderung. Es passiert, wenn sie mit anderen verwechselt werden, wenn ihre Fähigkeiten ignoriert werden oder wenn sie schlichtweg übersehen werden. Der Fokus liegt oft auf dem Offensichtlichen – dem Rollstuhl, der Einschränkung – während die Persönlichkeit in den Hintergrund rückt.
Inklusion bedeutet, Unsichtbarkeit zu durchbrechen. Es reicht nicht, Menschen irgendwo „dabeisein“ zu lassen. Es geht darum, sie aktiv einzubeziehen, ihnen Raum zu geben, ihre Perspektiven einzubringen, und dafür zu sorgen, dass diese Perspektiven gehört und geschätzt werden.
Inklusion als verbindendes Element
„Wie ein Erdbeben in einer Wüste, dass alles einstürzt, und ich bin tot.“
(„Come un terremoto nel deserto, che tutto crolla, e io sono morto.“)
Barrieren können sich anfühlen wie ein Erdbeben, das alles ins Wanken bringt. Sie zerstören Möglichkeiten und verstärken das Gefühl von Isolation. Diese Barrieren sind nicht nur physischer Natur – wie unzugängliche Räume oder fehlende Hilfsmittel –, sondern auch gesellschaftlicher Art: Vorurteile, Stereotype und starre Strukturen verhindern oft echte Teilhabe.
Doch Barrieren lassen sich abbauen. Inklusion bedeutet, diese Hindernisse nicht als gegeben hinzunehmen, sondern sie aktiv zu hinterfragen und zu verändern. Sie verbindet Menschen, schafft Begegnungen und zeigt, dass Vielfalt eine Stärke ist.
Musik hat eine ähnliche Kraft. Sie spricht universelle Gefühle an und baut Brücken zwischen Menschen. Ein Lied wie „Alla Mia Età“ erinnert daran, wie wichtig es ist, authentisch zu sein und Räume zu schaffen, in denen diese Authentizität gelebt werden kann.
Zeit, Inklusion zu leben
Inklusion ist keine Kür, sondern eine Notwendigkeit. Sie verlangt nicht Perfektion, sondern den Mut, Barrieren zu hinterfragen und echte Veränderungen anzustoßen. Sie beginnt im Kleinen: in einem Gespräch, in einer Begegnung, in der bewussten Entscheidung, zuzuhören und hinzusehen.
Der Song von Tiziano Ferro erinnerte mich daran, wie oft wir Menschen auf ihre Fassaden reduzieren. Doch Inklusion fordert mehr. Sie lädt uns ein, die Geschichten hinter der Oberfläche zu entdecken und Menschen in ihrer Vielfalt zu sehen.
Wenn wir bereit sind, diese Haltung einzunehmen, können wir eine Gesellschaft schaffen, in der niemand unsichtbar bleibt. Und genau dafür setze ich mich ein.
Solltest Du Fragen oder Anmerkungen haben, wende Dich jederzeit an mich und schreibe an
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